Value Investing mit Substanz

Chancen, Fallstricke und strategische Umsetzung

Value Investing war lange Zeit ein Inbegriff vernünftiger Aktienanlage. Das Investieren in unterbewertete Substanzwerte (Aktien, deren Börsenkurs unter dem fundamentalen Unternehmenswert liegt). In den letzten Jahren jedoch wurden Value-Aktien oft von hoch bewerteten Wachstumswerten überflügelt. Niedrigzinsen und Tech-Booms spielten Growth-Strategien (Wachstumsstrategien) in die Karten, während der Value-Ansatz zeitweise ins Hintertreffen geriet. 2022 folgte dann ein bemerkenswertes Comeback: Erstmals seit langer Zeit übertrafen Substanzaktien den Gesamtmarkt und ließen Wachstumsaktien deutlich hinter sich. Sowohl aktiv agierende Anleger als auch langfristig orientierte Investoren schätzen am Value Investing den Fokus auf solide Fundamentaldaten und faire Bewertungen. Der Grundgedanke – Qualität zum günstigen Preis zu erwerben – ist zeitlos attraktiv. Doch funktioniert dieser Ansatz in der heutigen Marktumgebung tatsächlich noch so gut wie früher, oder ist er ein überholtes Konzept? Ist Value Investing noch zeitgemäß?

FAQ — Value Investing im Wandel der Zeit

Was moderne Anleger wissen müssen — von Grundlagen über Fallstricke bis zur strategischen Umsetzung

Was bedeutet Value Investing heute?

Value Investing bedeutet im Kern, unterbewertete Vermögenswerte zu identifizieren und langfristig von deren innerem Wert zu profitieren. Value-Investoren suchen gezielt nach Aktien, die gemessen an fundamentalen Kennzahlen wie dem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) – dem Verhältnis von Aktienkurs zu Jahresgewinn – günstig erscheinen. Der klassische Ansatz, einfach die Aktien mit den niedrigsten KGVs zu kaufen, birgt jedoch Nachteile. Er neigt dazu, bestimmte Branchen oder Regionen zu bevorzugen, die aus strukturellen Gründen dauerhaft niedrige Bewertungskennzahlen aufweisen, und solche Klumpenrisiken können das Portfolio einseitig machen. Heute versteht man unter Value Investing weit mehr als nur ein niedriges KGV. Moderne Value-Anleger vergleichen Unternehmen nicht nur anhand einzelner Value-Kriterien, sondern ganzheitlich. Das heißt: Statt blind auf eine einzelne Kennzahl zu schauen, werden mehrere Maßstäbe herangezogen und nur Unternehmen ähnlicher Art gegenübergestellt. Beispielsweise werden Aktien derselben Branche miteinander verglichen, um Unterschiede in Geschäftsmodellen und Marktumfeld zu berücksichtigen. Zudem fließen oft Qualitätsaspekte in die Analyse ein – etwa solide Bilanzen, niedrige Verschuldung oder nachhaltige Ertragskraft – damit "billig" nicht mit "schwach" gleichgesetzt wird.

Kurzum: Value Investing bleibt ein überzeugendes Konzept, doch es erfordert heute eine differenziertere Herangehensweise als in der Vergangenheit. Ohne gründliche Analyse läuft man sonst Gefahr, in eine sogenannte Value-Falle zu tappen – also ein Investment, das nur scheinbar günstig ist und langfristig enttäuscht.

Wie erkenne ich eine Value-Falle?

Der Begriff Value-Falle bezeichnet eine Aktie, die optisch günstig wirkt, in Wahrheit aber fundamental angeschlagen ist. Solche Titel haben oft ein niedriges KGV oder ähnliche Kennzahlen, weil ihr Geschäftsmodell Probleme aufweist – man nennt das auch "cheap for a reason" (billig aus gutem Grund). Typische Warnsignale für eine Value-Falle sind z. B. eine übermäßige Verschuldung des Unternehmens, schrumpfende Umsätze oder anhaltend niedrige Gewinnmargen. Ein Unternehmen kann scheinbar preiswert sein, aber wenn es strukturelle Schwierigkeiten hat oder in einem stagnierenden Sektor tätig ist, besteht die Gefahr, dass der Kurs trotz niedriger Bewertung weiter fällt oder jahrelang nicht vom Fleck kommt.

Um eine Value-Falle zu erkennen, reicht es daher nicht, nur auf den Preis zu schauen – man muss das Gesamtbild analysieren. Fundamentalanalyse ist hier unerlässlich: Wie sieht die Bilanz aus? Steht das Unternehmen auf finanziell soliden Beinen, oder ist der Verschuldungsgrad (Schuldenquote) alarmierend hoch? Ist das Geschäft noch intakt und wettbewerbsfähig, wie entwickeln sich Umsatz und Gewinn? Auch ein Blick auf die Kursentwicklung kann helfen: Befindet sich der Aktienkurs in einem negativen Trend (Momentum), kann das ein Zeichen dafür sein, dass der Markt bereits Probleme antizipiert. Value-Investoren sollten also stets hinter die Kulissen schauen. Faktoren wie Kursdynamik, Verschuldung und Profitabilität gilt es zu prüfen, um zu beurteilen, ob eine Aktie zu Recht günstig bewertet ist oder ob der Markt möglicherweise überreagiert. So lässt sich vermeiden, in vermeintlich "billige" Titel zu investieren, die dann mangels fundamentalem Aufwärtspotenzial zur Falle werden. Wer solche Value-Fallen konsequent meidet und nur in substanzstarke Unternehmen mit soliden Geschäftsmodellen investiert, schafft die Basis für langfristigen Erfolg. Doch auch dann bleibt eine Frage: Wie schützt man sein Portfolio vor unvorhergesehenen Rückschlägen? Hier kommt die Diversifikation ins Spiel.

Welche Rolle spielt Diversifikation für Value-Anleger?

Diversifikation bedeutet Risiko streuen – also das Kapital auf verschiedene Anlagen, Branchen und Märkte zu verteilen, um nicht von der Entwicklung einzelner Positionen abhängig zu sein. Für Value-Anleger ist Diversifikation besonders wichtig, weil eine strikt auf "billige" Aktien fokussierte Strategie sonst zu Konzentrationsrisiken führen kann. Ein breit gestreutes Portfolio dagegen verhält sich meist robuster: Die Schwankungen (Volatilität) fallen geringer aus, da Verluste einzelner Titel durch Stabilität bei anderen ausgeglichen werden können. Unterschiedliche Branchen und Anlageklassen reagieren zudem oft verschieden auf wirtschaftliche Veränderungen. Durch eine kluge Verteilung – etwa über verschiedene Sektoren und Regionen – kann ein Value-Investor sein Depot besser an wechselnde Marktphasen anpassen. Diversifikation sorgt so für stabilere Renditen und verhindert, dass die Performance von einigen wenigen Faktoren dominiert wird.

Wichtig dabei ist, echte Diversifikation zu erreichen und nicht nur viele Positionen zu halten. Naive Diversifikation – also ein Portfolio mit sehr vielen Aktien, die aber alle vom selben Trend abhängig sind – bietet keinen wirklichen Schutz. Entscheidend ist die Mischung unkorrelierter Anlagen. Value-Investoren sollten darauf achten, nicht überwiegend Titel aus nur einem Sektor oder mit dem gleichen Risikoprofil zu kaufen, auch wenn diese gerade günstig erscheinen. Denn "Value" ist keine Sektoren- oder Länderfrage: Wer genau hinschaut, wird auch Value-Titel in boomenden Ländern oder Sektoren finden, z.B. im Technologiebereich. Ebenso kommt es auf die Gewichtung an: Keine einzelne Aktie oder kleine Gruppe von Aktien sollte übermäßig viel Einfluss auf das Gesamtportfolio haben. Zum Beispiel ist ein Depot, in dem die Top-10-Positionen zusammen die Hälfte des Wertes ausmachen, anfällig für Klumpenrisiken. Hier gilt es gegenzusteuern, indem man die Positionsgrößen begrenzt und regelmäßig prüft, ob sich ungewollte Schwerpunkte eingeschlichen haben.

Allerdings kann auch die beste Diversifikation nicht alle Risiken eliminieren. In schweren Marktkrisen steigen oft die Korrelationen zwischen Anlagen – verschiedene Werte fallen gleichzeitig, und ein breit gestreutes Portfolio kann sich dem Abwärtstrend nicht vollständig entziehen. Dennoch federt Diversifikation solche Einbrüche in der Regel ab und reduziert das Risiko, übermäßige Verluste aus der Entwicklung einzelner Lieblingsaktien, Branchen oder Regionen zu erleiden. Ein weiterer Vorteil eines flexiblen, diversifizierten Ansatzes ist die Unabhängigkeit von starren Benchmarks. Benchmark-Abhängigkeit bedeutet, an einen Vergleichsindex gebunden zu sein – viele Fonds und ETFs müssen einen Index nachbilden und können kaum ausweichen, wenn der unterliegende Index hohe Konzentrationsrisiken in wenigen Titeln aufweist. Durch die richtige Streuung ihres Portfolios können Value-Anleger Einzelrisiken reduzieren und langfristig konstantere Ergebnisse erzielen. Mit dieser robusten Aufstellung sind sie gut gerüstet – doch bleibt die zentrale Frage, ob der Value-Ansatz als solcher heute noch Erfolg verspricht.

Fazit: Ist Value Investing noch zeitgemäß?

Betrachtet man die Entwicklungen der letzten Jahre, so lautet die Antwort: Ja, Value Investing ist auch heute noch zeitgemäß – wenn es zeitgemäß betrieben wird. Die grundlegenden Prinzipien des Value-Investierens haben nichts von ihrer Gültigkeit verloren. Es geht nach wie vor darum, unterbewertete Qualitätsunternehmen zu identifizieren und geduldig auf deren Wertentfaltung zu warten. Tatsächlich bieten veränderte Marktbedingungen, wie z. B. das Ende der Nullzins-Ära, wieder Rückenwind für Substanzwerte: In einem Umfeld höherer Zinsen und erhöhter Volatilität stehen stabile Gewinne und solide Bilanzen wieder stärker im Fokus der Investoren. Das im Jahr 2022 beobachtete Comeback der Value-Titel hat gezeigt, dass der Markt Unterbewertungen langfristig doch erkennt und phasenweise korrigiert. Value Investing lebt – und es bleibt ein sinnvoller Baustein in einem ausgewogenen Anlagekonzept.

Allerdings erfordert erfolgreiches Value Investing heute mehr denn je Disziplin, Geduld und einen ganzheitlichen Blick. Anleger dürfen nicht erwarten, mit einer Value-Strategie über Nacht Höchstgewinne zu erzielen. Vielmehr liegt die Stärke dieses Ansatzes in der langfristigen Wertsteigerung und der Resilienz in schwierigen Zeiten. Um den Erfolg einer Value-Strategie fair zu beurteilen, sollte man Zeiträume von mindestens zehn Jahren oder mehr betrachten – nur so werden verschiedene Marktzyklen einbezogen. Vergangenheit ist nicht gleich Zukunft: Eine zeitweilige Unterperformance bedeutet nicht das Ende des Value-Ansatzes, genauso wie eine kurzfristige Überrendite nicht automatisch dauerhaft haltbar ist. Entscheidend ist der risikoadjustierte Blick: Welche Risiken mussten eingegangen werden, um eine bestimmte Rendite zu erzielen? Passt die Wertentwicklung zum eigenen Risikoprofil? In der Regel zeichnet sich Value Investing durch ein ausgewogeneres Risiko-Ertrags-Verhältnis aus als aggressive Wachstumswetten – was gerade institutionellen Investoren entgegenkommt, die Wert auf Verlässlichkeit legen.

Nicht zuletzt ist auch die mentale Komponente ein Faktor: Value-Investoren brauchen einen langen Atem. Es gilt, vorübergehende Kursrückschläge auszuhalten, ohne die Strategie über Bord zu werfen. Wer z. B. nicht bereit ist, zwischenzeitliche Buchverluste auszuhalten, wird kaum konsequent an einer Value-Philosophie festhalten können. Doch genau dieses Durchhaltevermögen wird oft belohnt – denn echte Unternehmenswerte setzen sich langfristig meist durch. Wer ein überzeugendes, modernes Value-Investment hat, kann Marktschwächen selbstbewusst für eine Aufstockung nutzen und so weitere Überrenditen erzielen. Unter dem Strich ist Value Investing kein verstaubtes Relikt vergangener Tage, sondern nach wie vor ein fundamentaler Baustein für den Anlageerfolg. Richtig angewandt – mit gründlicher Analyse, Vermeidung von Value-Fallen und breiter Diversifikation – bleibt der Value-Ansatz auch im heutigen Marktumfeld relevant und attraktiv für Anleger, die nachhaltig Vermögen aufbauen wollen.

Wie geht es nun weiter?

Aktuelle Entwicklungen im Aktienbereich im Blick behalten

Value-Aktien erleben ein Comeback – getragen von robusten Bilanzen, soliden Dividenden und attraktiven Bewertungen. Doch wie nachhaltig ist dieser Trend? Welche Faktoren treiben die Performance – und wo lauern potenzielle Risiken? In unseren aktuellen Equity Insights analysieren wir, wie sich der Assenagon Funds Value Size Global im sich wandelnden Marktumfeld behauptet, welche Sektorrotationen Aufmerksamkeit verdienen und warum Substanzstrategien gerade jetzt wieder an Relevanz gewinnen.

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