Fallen Angels-Anleihen

Definition, Chancen und Strategien für Anleger

Unternehmensanleihen, die einst als erstklassig galten und nach einer Herabstufung in eine niedrigere Bonitätskategorie rutschen, oft ohne dass sich ihre Qualität wesentlich verschlechtert hat, bezeichnet man im Finanzjargon als Fallen Angels. Diese gefallenen Engel im Anleihemarkt entstehen, wenn ein Emittent von den Rating-Agenturen aus dem Investment Grade-Bereich (gute Bonität) in den High Yield-Bereich (Spekulationsstatus) herabgestuft wird. Für Anleger bedeutet das oft zweierlei: Einerseits bieten Fallen Angels nach dem Absturz höhere Renditen und potenzielle Kursgewinne, andererseits stehen hinter dem neuen Hochzinsstatus erhöhte Risiken und Unsicherheiten. Sind Fallen Angels also versteckte Schatzstücke für opportunistische Investoren oder doch zu riskant für ein solides Portfolio? Diese Frage steht im Raum: Lohnt sich ein Investment in Fallen Angels-Anleihen, und wenn ja, für wen?

Was sind Fallen Angels im Anleihemarkt?

Als Fallen Angels bezeichnet man Anleihen von Unternehmen, die einst ein Investment Grade-Rating (z. B. BBB von S&P) besaßen, dann aber auf High Yield (Non-Investment Grade) heruntergestuft wurden. Vereinfacht gesagt: Ein vormals solider Schuldner verliert seine gute Bonität und rutscht in die Kategorie der spekulativeren Hochzinsanleihen ab. Ein typisches Beispiel ist eine Herabstufung von BBB auf BB. Diese "gefallenen Engel" haben ihren Status als sichere Anlage verloren und werden nun im Markt der High Yield-Bonds gehandelt, oft mit deutlichem Abschlag im Kurs. Diese Abstufungen erfolgen durch große Rating-Agenturen (Standard & Poor’s, Moody’s, Fitch) und können verschiedene Ursachen haben, etwa eine Verschlechterung der Geschäftszahlen, steigende Verschuldung oder negative Branchenentwicklungen. Wichtig ist: Die Grenze zwischen Investment Grade und High Yield wirkt wie eine harte Linie. Sobald ein Unternehmen diese Schwelle unterschreitet, zieht das am Markt automatische Reaktionen nach sich. Viele institutionelle Investoren müssen aufgrund interner Vorgaben solche herabgestuften Anleihen verkaufen, da ihre Mandate strikte Obergrenzen für High Yield-Papiere setzen. Ähnliches gilt für passive Indexfonds: Ein Bond, der aus dem Investment Grade Index herausfällt, wird beim nächsten Rebalancing aus entsprechenden ETFs entfernt, was zusätzlichen Verkaufsdruck erzeugt. Die unmittelbare Folge: Wenn zahlreiche Anleger gleichzeitig gezwungen sind zu verkaufen, gerät der Anleihekurs unter Druck und fällt. Im Gegenzug steigt die laufende Rendite der betroffenen Anleihe. Mit anderen Worten: Fallen Angels weisen nach der Herabstufung oft deutlich höhere Zinskupons relativ zum Kaufpreis auf, was sie auf den ersten Blick attraktiv macht. Allerdings spiegeln diese höheren Renditen auch ein gestiegenes Kreditausfallrisiko wider. Das Phänomen konnte man besonders in Stressphasen beobachten, zum Beispiel während der COVID-19-Krise 2020, als mehrere große Airline-Anleihen ihren Investment Grade-Status verloren. Insgesamt entstehen Fallen Angels häufig in Abschwungphasen oder Branchenkrisen, wenn sich die Bonität vieler Unternehmen gleichzeitig verschlechtert.

Marktzyklen: Wann treten Fallen Angels gehäuft auf?

Die Entstehung von Fallen Angels hängt eng mit dem Konjunktur- und Kreditzyklus zusammen. In wirtschaftlichen Boomzeiten sind Herabstufungen seltener, viele Unternehmen verbessern sogar ihre Bonität (sogenannte Rising Stars, die den Sprung von High Yield zurück zu Investment Grade schaffen). In Abschwungphasen oder bei Branchenkrisen dagegen mehren sich die Fallen Angels. Ein Blick in die jüngere Vergangenheit verdeutlicht diese zyklischen Schwankungen: Im Jahr 2024 gab es in den USA lediglich sechs neue Fallen Angels mit einem Volumen von zusammen nur USD 6,7 Mrd., so wenige wie noch nie zuvor und weit unter dem historischen Schnitt von etwa USD 50 Mrd. jährlich. Für 2025 erwarten Marktbeobachter wieder eine deutliche Zunahme an Herabstufungen zurück auf Non-Investment-Grade-Niveau. Schätzungen gehen von rund USD 50 Mrd. an neuen Fallen Angels allein im US-Markt aus, was fast dem langfristigen Durchschnitt entspricht. Interessanterweise wird dabei kein Anstieg der Ausfallquoten erwartet. Es könnte also zu einer Welle von Fallen Angels kommen, ohne dass diese Firmen reihenweise in die Insolvenz gehen. Genau dieses Szenario, viele Downgrades, aber wenige Defaults, macht Fallen Angels aus Analystensicht 2025 zu einer besonders spannenden Anlagechance im Rentenmarkt. Mehrere Faktoren können eine Wiederkehr von Fallen Angels begünstigen. Steigen die Zinsen, erhöht das die Finanzierungskosten für Unternehmen; Emittenten mit knappem BBB-Rating geraten dann unter Druck, wenn neu aufzunehmende Schulden teurer werden und alte Anleihen auslaufen. Normalisiert sich die Lage nach Phasen starker geldpolitischer Unterstützung, kann die Liquidität sinken und die Konjunktur sich abkühlen. Solche Rahmenbedingungen treffen besonders die schwächsten Investment Grade-Emittenten, jene an der Schwelle zu High Yield, und erhöhen das Downgrade-Risiko. Für aktive Anleger heißt das: In entsprechenden Marktphasen können mehr Fallen Angels am Markt auftauchen, die auf einen erneuten Aufstieg warten.

Chancen und Risiken von Fallen Angels-Anleihen

Fallen Angels stehen in einem Spannungsfeld von attraktiven Chancen und nicht zu vernachlässigenden Risiken. Ein gut informierter Anleger sollte beide Seiten kennen, bevor er in diese Papiere investiert.

Chancen

  • Attraktive Renditen: Durch den Kursrückgang infolge von Zwangsverkäufen notieren Fallen Angels häufig deutlich unter Pari. Die effektive Verzinsung (Yield) dieser Anleihen kann daher spürbar höher ausfallen als bei vergleichbaren Papieren, die nicht herabgestuft wurden. So lag die laufende Rendite eines Fallen Angels Index Anfang 2025 bei rund sechs bis sieben Prozent und damit im Bereich des allgemeinen High Yield-Markts. Anleger werden also für das zusätzliche Risiko mit einem Zinsaufschlag (höherem Credit Spread) entschädigt.
  • Kurssteigerungspotenzial: Fallen Angels haben oft das Potenzial, sich wieder zu erholen. Wenn die Herabstufung überzogen war oder sich die Fundamentaldaten des Unternehmens verbessern, können diese Anleihen im Kurs kräftig zulegen. Die historische Erfahrung zeigt, dass gefallene Engel auf Sicht von ein bis zwei Jahren häufig eine Outperformance erzielen. Fallen Angels-Anleihen haben über längere Zeiträume den breiten High Yield-Markt und sogar viele Investment-Grade-Indizes übertroffen. Dieses Phänomen wird als Fallen Angels-Effekt bezeichnet, ein struktureller Vorteil, der aus der Grenze zwischen Investment Grade und High Yield resultiert und findigen Investoren Zusatzrenditen ermöglichen kann.
  • Wiederaufstiegs-Chance: Etliche Fallen Angels schaffen später den Sprung zurück ins Investment Grade (Rising Stars). Laut historischen Moody’s-Daten wurde nahezu ein Viertel aller Fallen-Angel-Emittenten innerhalb von 20 Jahren wieder hochgestuft. Gelingt ein solches Comeback, profitieren die Anleihegläubiger doppelt: Zuerst durch höhere laufende Zinsen und dann durch Kursgewinne beim Upgrade. Für aktive Strategien ergibt sich hier eine Opportunität, gezielt jene gefallenen Engel auszuwählen, bei denen ein Re-Rating-Potenzial erkennbar ist, deren Geschäftsmodell intakt ist und die Chance auf eine Hochstufung besteht.

Risiken

  • Verschlechterte Bonität: Die Herabstufung erfolgt nicht grundlos. Die betroffenen Unternehmen haben meist signifikante Probleme, zum Beispiel hohe Schulden, Gewinnrückgang oder Branchenkrisen. Es besteht das Risiko, dass sich die Lage weiter verschlechtert. Knapp die Hälfte aller Fallen Angels verbleibt langfristig im High Yield-Status, einige schaffen den Aufstieg nie. Im schlimmsten Fall geraten Fallen Angels in finanzielle Schieflage. Etwa zwölf Prozent enden laut Studien in der Insolvenz oder Zahlungsunfähigkeit. Für Anleger bedeutet das mögliche Verluste bis hin zum Totalausfall der investierten Anlagesumme. Volatilität und Liquidität: Nach dem Downgrade ist die Volatilität der Anleihekurse oft erhöht. Da viele Investoren abspringen, können die Spreads stark schwanken. Zudem kann die Liquidität der betroffenen Bonds leiden, weil einige institutionelle Player komplett aussteigen müssen. Insbesondere in Phasen, in denen sehr viele Fallen Angels gleichzeitig auf den Markt treffen, zum Beispiel in einer Rezession, können zeitweise Kursverzerrungen auftreten. Analysen zeigen, dass es abseits von Extremphasen selten zu anhaltender Illiquidität kommt. Dennoch sollten Anleger vorbereitet sein, eventuelle Kursschwankungen aussitzen zu können.
  • Selektionsrisiko: Blind in alle gefallenen Engel zu investieren, kann gefährlich sein. Darunter befinden sich immer auch Distressed-Debt-Fälle, also Anleihen von Emittenten, die strukturell in Schwierigkeiten stecken und sich womöglich nicht mehr erholen. Wer Pech hat, greift einen Fallen Angel auf, der weiter abstürzt oder sogar ausfällt. Daher ist eine sorgfältige Analyse jedes einzelnen Kandidaten unerlässlich. Die Herausforderung besteht darin, die wirklich unterbewerteten Fallen Angels herauszufiltern, bei denen das Risiko überschaubar ist und die Chance auf Erholung intakt bleibt.

Kurzfazit: Fallen Angels bieten besondere Chancen, aber man muss die Risiken kennen. Für risikobewusste Anleger, die sich die Mühe einer gründlichen Analyse machen oder spezialisierten Fonds vertrauen, können sie ein wertvoller Baustein im Portfolio sein. Wer dagegen keine Ressourcen hat, jeden Emittenten detailliert zu prüfen, sollte bei Fallen Angels eher vorsichtig agieren.

Aktive vs. passive Strategien: Wie investiert man in Fallen Angels?

Für das Investment in Fallen Angels stehen grundsätzlich zwei Ansätze zur Verfügung: Eine passive Strategie über breite Indizes beziehungsweise ETFs oder ein aktives Management durch gezielte Titelauswahl. Beide Wege haben Vor- und Nachteile. Gerade bei Fallen Angels zeigt sich jedoch, wie wichtig aktive Auswahl sein kann.

  • Passive Lösung – Fallen Angels-ETFs: In den letzten Jahren wurden spezielle Fallen Angels Indexfonds und ETFs aufgelegt, die automatisch in einen Korb neu herabgestufter Anleihen investieren. Ein Beispiel ist der Bloomberg Barclays Fallen Angel Index, auf den es auch börsengehandelte Fonds gibt. Der Vorteil dieser Produkte: Anleger erhalten breit gestreut Zugang zum Fallen Angel-Segment, ohne selbst Einzeltitel auswählen zu müssen. Historisch hätten solche Indizes häufig den Markt geschlagen. Allerdings kaufen ETFs gefallene Engel nach festen Regeln, unabhängig von der individuellen Qualität des Emittenten. So landen auch Anleihen im Portfolio, deren Emittenten sich möglicherweise in schwerem Fahrwasser befinden. Zudem folgen ETFs den Indexvorgaben mit zeitlicher Verzögerung. Eine Anleihe wird oft erst zum Quartalsende oder Rebalancing-Termin aufgenommen oder entfernt. Genau in diesen Übergangsphasen können Kurse schon stark bewegt sein. Passive Anleger sind also zwangsläufig Trendfolger. Sie kaufen den Fallen Angel meist erst, wenn er bereits abgestürzt ist, und sie verkaufen ihn, sobald er wieder aufgestiegen ist, gemäß Indexregeln.
  • Aktives Management – selektive Fallen Angel-Strategien: Aktive Fondsmanager können demgegenüber flexibler agieren. Eine aktive Fallen Angel-Strategie setzt darauf, den Markt gründlich zu analysieren und nur die aussichtsreichsten gefallenen Engel ins Portfolio zu nehmen. Durch fundierte Kreditanalyse lässt sich versuchen, jene Kandidaten zu meiden, die voraussichtlich zu Recht abgestuft wurden und womöglich weiter abrutschen oder sogar Ausfälle riskieren. Stattdessen konzentriert man sich auf Fälle, bei denen der Markt überreagiert hat und die Bonität mittelfristig stabil bleiben oder sich verbessern könnte. Ein erfahrener Manager wird außerdem Timing-Vorteile nutzen. Oft lohnt es sich, schneller zu reagieren als der breite Markt. Aktive Investoren können bereits beim ersten Anzeichen einer Herabstufungswelle Vorkehrungen treffen, etwa indem sie anfällige BBB-Anleihen reduzieren (Downgrade-Risk-Management) oder in Erwartung von Verkäufen Liquidität bereithalten, um günstig Fallen Angels einzusammeln. Anders als starre Indizes müssen aktive Fonds nicht 30 Tage warten, bis eine Anleihe formal aus dem Investment Grade Index fällt. Sie können im geeigneten Moment zugreifen. Ein weiterer Aspekt ist die Sektor- und Regionensteuerung. Fallen Angels treten oft konzentriert in bestimmten Branchen auf, zum Beispiel Energieunternehmen im Ölpreisverfall 2015/2016 oder Technologie/Telekommunikation in der Dotcom-Krise. Aktive Strategen können gezielt Sektor-Rotation betreiben, also jene Branchen übergewichten, in denen sie die attraktivsten Bewertungschancen sehen, und Bereiche meiden, die strukturelle Probleme haben. Diese Flexibilität zahlt sich insbesondere in unruhigen Marktphasen aus, wenn sich die Spreu vom Weizen trennt. Insgesamt kann ein guter aktiver Ansatz die Vorteile von Fallen Angels gezielter heben und gleichzeitig versuchen, die Ausfallrisiken zu minimieren. Dafür sind Expertise, Ressourcen und ein diszipliniertes Risikomanagement nötig. Für viele Anleger kann daher ein aktiv verwalteter Fallen-Angel-Fonds eine sinnvolle Option sein, um an diesem Segment zu partizipieren. Traditionelle Investment Grade-Fonds meiden Fallen Angels meist und High Yield-Fonds sind häufig eng an eine Benchmark gebunden.

Fazit: Lohnt sich ein Investment in Fallen Angels?

Fallen Angels-Anleihen bieten chancenorientierten Anlegern eine attraktive Nische mit überdurchschnittlichen Renditen und Wiederaufwertungspotenzial. Die eingangs gestellte Frage lässt sich beantworten: Ja, ein Investment in Fallen Angels kann sich lohnen, wenn man die richtigen Titel auswählt und sich der Risiken bewusst ist. Die Erfahrung zeigt, dass gefallene Engel kein Grund zur Panik sein müssen. Im Gegenteil, sie können für aktive Investoren zu verborgenen Chancen werden, sobald der erste Verkaufsdruck verebbt. Entscheidend ist ein umsichtiges Vorgehen: Wer die Bonität der Emittenten sorgfältig prüft, bei Bedarf schnell reagiert und diversifiziert in qualitativ solide Fallen Angels investiert, kann von Kursaufschwüngen und hohen Zinsen profitieren. Für langfristige, sicherheitsorientierte Anleger ohne Spezialwissen bleibt dieses Segment hingegen anspruchsvoll. Hier empfiehlt sich eher Zurückhaltung oder die Übergabe an erfahrene Fonds-Manager. Insgesamt gilt: Krisen bieten Chancen. Mit dem richtigen Know-how und Konzept können gefallene Engel zu stabilen Renditebringern im Portfolio werden.

Von der Theorie zur Praxis