Volatilitätsfonds

Investieren in Volatilität für Ertrag und Diversifikation

In stürmischen Börsenphasen schießen Volatilitätsbarometer wie der VIX in die Höhe – ein Ausdruck steigender Unsicherheit am Markt. Für die meisten Anleger bedeutet hohe Volatilität – also die Schwankungsintensität der Kurse – zunächst vor allem Risiko. Doch einige spezialisierte Fonds – sogenannte Volatilitätsfonds – kehren den Spieß um: Sie nutzen Marktschwankungen gezielt als Anlagechance. Können Anleger mit Volatilitätsfonds tatsächlich von Volatilität profitieren und gleichzeitig das Portfoliorisiko reduzieren?

Wie funktionieren Volatilitätsfonds? 

Typische Volatilitätsfonds nutzen die in Optionspreisen enthaltene erwartete künftige Schwankung – die implizite Volatilität – als Grundlage ihrer Strategie. Die implizite Volatilität ist die vom Markt erwartete zukünftige Volatilität, abgeleitet aus den Optionspreisen. Anhand dieser Kennzahl entwickeln Fondsmanager spezifische Volatilitätsstrategien, von denen es grundsätzlich zwei große Kategorien gibt: 

  • Volatilitätsprämien-Strategien (auch Short-Volatility-Strategien bzw. Volatility-Income-Strategien): Diese Ansätze zielen darauf ab, systematisch eine Volatilitätsprämie – also eine Risikoprämie für das Tragen von Marktschwankungen – zu vereinnahmen. Praktisch geschieht dies meist durch das Verkaufen von Volatilität, also z. B. das Schreiben von Optionen oder Eingehen von Volatilitätsswaps. Die Einnahmen resultieren daraus, dass die implizite Volatilität an den Märkten tendenziell höher ist als die letztlich realisierte Volatilität. Der Fokus liegt auf stetigem Ertrag und Prämieneinnahmen, nicht auf Absicherung. Volatilitätsprämien-Strategien generieren also laufende Erträge, solange die Märkte relativ ruhig bleiben, können aber Verluste erleiden, wenn extreme Schwankungen auftreten (dazu mehr bei den Risiken). Zentral ist bei der richtigen Umsetzung deshalb die Frage, wie das Risiko-Management aufgebaut ist und ob es Absicherungsmechanismen gibt, die Kursrückgänge abfedern. 

  • Long-Volatility-Strategien (Diversifikationsstrategien, umgesetzt z. B. in speziellen Long-Volatility-Fonds): Diese Ansätze verfolgen das Gegenteil – sie kaufen Volatilität, um von kräftig steigender Volatilität zu profitieren. Typischerweise steigt die Marktvolatilität in Phasen stark fallender Aktienmärkte, weshalb Long-Volatility-Strategien als Diversifikationsinstrument wertvoll sein können. Sie erzielen in Crashphasen große Gewinne und wirken so als Gegengewicht im Portfolio: Verluste in risikobehafteten Anlagen (z. B. Aktien) werden teilweise oder ganz ausgeglichen, da der Volatilitätsfonds im gleichen Zeitraum deutlich an Wert gewinnt. Im Unterschied zur Income-Variante geht es hier also nicht um kontinuierliche Erträge, sondern um Diversifikation und die Stabilisierung von Anlageportfolien.

Weitere Unterscheidungsmerkmale: Ein zentraler Unterschied zwischen verschiedenen Volatilitätsstrategien liegt in ihrer Zielsetzung – will man vor allem laufende Erträge erzielen oder das Portfolio durch eine Long-Volatility-Strategie stabilisieren? Zusätzlich spielt eine Rolle, auf welche Volatilitätsmärkte sich der Fonds fokussiert: Einige Strategien konzentrieren sich ausschließlich auf die Volatilität großer Aktienindizes, während andere auch Einzelaktien-Volatilitäten nutzen. Letzteres erfordert noch umfangreichere Daten und Expertise, eröffnet dafür aber weitere Renditequellen und weiteren Spielraum für Diversifikation (Schwankungen einzelner Aktien können anders verlaufen als die des Gesamtmarkts). Unabhängig vom Ansatz gilt: Volatilitätsfonds arbeiten mit derivativen Instrumenten und einem aktiven Risikomanagement, um ihre jeweiligen Ziele – Income oder Diversifikation – zu erreichen. 

Warum in Volatilität investieren? 

Volatilität als Anlageklasse bietet zwei besondere Nutzen für Investoren: zusätzliche Ertragsquellen und Diversifikation. Je nach Strategie steht mal das eine, mal das andere im Vordergrund – optimalerweise kann eine Volatilitätsallokation aber beide Vorteile im Portfolio-Kontext erzielen. 

Zusätzliche Erträge durch die Volatilitätsprämie: In den Kapitalmärkten lässt sich seit Jahrzehnten eine systematische Volatilitätsrisikoprämie beobachten. Im langfristigen Durchschnitt liegt die implizite Volatilität (erwartete Schwankung) an z. B. Aktienmärkten deutlich über der später realisierten Volatilität – man rechnet also mit mehr Schwankung, als tatsächlich eintritt. Langfristig beträgt die implizite Volatilität des S&P 500® rund 20 Prozent, während die tatsächliche Schwankung im Nachhinein nur etwa 17 Prozent erreicht.¹ Die Differenz von gut 3 Prozentpunkten, auch als Volatilitätsprämie bezeichnet, stellt eine Ertragsquelle dar, die ein Short-Volatility-Fonds gezielt vereinnahmen kann. Über lange Zeiträume hat sich dieser Implied-vs-Realised-Spread als recht stabil erwiesen – das heißt, Volatilität zu verkaufen (z. B. durch Optionsprämien) kann langfristig eine attraktive Renditequelle eröffnen. Allerdings ist das "Prämien kassieren" kein risikofreies Spiel: In extremen Marktphasen kann sich das Verhältnis auch umkehren, d. h. die realisierte Volatilität übertrifft vorübergehend die implizite. In solchen Stresszeiten erleiden ungeschützt Short-Volatility-Positionen Verluste – ein Aspekt, den man im Risikomanagement stets beachten muss. Viele Prämien-Ansätze nutzen deshalb auch Absicherungspositionen, die weniger Prämie kosten als vereinnahmt wird. Z.B: 

  • Kauf von Einzelaktienvolatilität — Die Volatilitätsprämie ist hier typischerweise weniger ausgeprägt als bei Indizes. Strategien, die Einzelaktienvolatilität kaufen und Indexvolatilität verkaufen, nennt man Dispersionsstrategien.
  • Out-of-the-Money-Put-Optionen — Diese Optionen erzielen Gewinne bei sehr starken Marktverwerfungen.
  • VIX-Futures — Futures auf den Volatilitätsindex VIX können kurzfristig Gewinne bei Kursverwerfungen ermöglichen.

Diversifikation und Krisenschutz: Der zweite große Vorteil einer Volatilitätsanlage ist ihr Diversifikationspotenzial. Long-Volatility-Strategien entwickeln ihren größten Nutzen genau dann, wenn herkömmliche Anlagen schwächeln – nämlich in Phasen plötzlicher Marktpanik und Kurseinbrüche. Steigt die Volatilität sprunghaft an (etwa in einem Börsencrash), erzielen Long-Volatility-Fonds häufig extreme Zugewinne und können damit Verluste in Aktien oder anderen Risikopositionen abfedern. Ein eindrucksvolles Beispiel lieferte das erste Quartal 2020: Während die Aktienmärkte im COVID-Crash einbrachen, verbuchte die Assenagon Long-Volatility-Strategie einen Wertzuwachs von rund +40 Prozent in wenigen Wochen. Solche Ergebnisse zeigen, wie antizyklisch und schützend Volatilitätsbausteine wirken können. Im Gesamtportfolio kann eine kleine Allokation in Volatilität dadurch die risikoadjustierten Renditen verbessern – also die Rendite relativ zum eingegangenen Gesamtrisiko erhöhen. Kurz gesagt fungiert ein Long-Volatility-Investment als verlässliche Diversifikationsquelle, die auch hilft wenn herkömmliche Diversifikationsstrategien aus Aktien und Anleihen scheitern. 

Welche Risiken bergen Volatilitätsfonds? 

Trotz ihrer Chancen dürfen die speziellen Risiken von Volatilitätsfonds nicht übersehen werden. Die Strategien sind komplex und können bei falscher Handhabung zu erheblichen Verlusten führen. Im Kern spiegeln die Risiken die zwei gegensätzlichen Ansätze wider: 

  • Risiken der Short-Volatility-Strategie: Wer Volatilität verkauft und die Volatilitätsprämie vereinnahmt, erzielt in ruhigen Phasen zwar konstante Erträge, geht aber die Verpflichtung ein, im Falle extremer Ausschläge zu zahlen. Plötzliche Volatilitätssprünge – etwa durch einen Marktcrash oder unvorhergesehene Schocks – können Short-Volatility-Positionen schwere Verluste zufügen. Ein historisches Beispiel ist der Volatilitätsschock im Februar 2018 (“Volmageddon”), der auf einen Schlag mehrere auf Volatilitätsverkauf basierende Produkte implodieren ließ. In solchen Szenarien kehrt sich die bis dahin verdiente Prämie abrupt ins Negative. Zwar bleibt die Volatilitätsprämie über lange Sicht statistisch positiv, doch Anleger müssen die Tail-Risiken (seltene Extremereignisse) aushalten können. Risikomanagement und Positionsgrößen sind hier entscheidend – seriöse Volatilitätsfonds begrenzen ihre Hebel und nutzen Mechanismen wie z.B. gezielte Absicherungsstrategien, um allzu große Drawdowns zu vermeiden.

  • Risiken der Long-Volatility-Strategie: Wer Volatilität kauft (also auf steigende Schwankung setzt), hat das entgegengesetzte Profil. Long-Volatility-Fonds gewinnen zwar stark in Krisenzeiten, verursachen aber in normalen Marktphasen fortlaufende Kosten. Da Volatilität in ruhigen Märkten tendenziell niedrig bleibt oder sinkt, verlieren traditionelle Long-Volatility-Positionen an Wert – man kann es mit einer Versicherungsprämie vergleichen, die regelmäßig gezahlt wird. Diese Negativrendite in Seitwärtsphasen erfordert einen langen Atem: Investoren müssen bereit sein, laufende geringe Verluste in Kauf zu nehmen, um im Crash die große Auszahlung zu erhalten. Wird eine solche Strategie zu früh aufgegeben, kann es passieren, dass man die schützende Wirkung genau dann verpasst, wenn sie gebraucht wird. Entscheidend ist, wie die Long-Volatility-Strategie umgesetzt wird, um die richtige Balance zwischen einem hohen Ertrag in Stressphasen und der “Carry” (also dem Gewinn/Verlust) beim Halten der Position zu finden. Einfach Index-Volatilität zu kaufen kann dauerhaft zu einer hohen Carry-Belastung führen, da ja eben die Prämie eingezahlt wird, die Short-Volatility-Fonds einnehmen. Helfen kann hier z.B. der Einsatz von Einzelaktienvolatilität - hier ist die Volatilitätsprämie deutlich geringer und damit bieten sich Chance für eine deutlich stabilere mittelfristige Performance – auch wenn man nichts am Markt passiert. Eine beliebte Strategie besteht aus dem Kauf von Einzelaktienvolatilität (niedrige Prämie), der aus dem Verkauf von Indexvolatilität (hohe Prämie) finanziert wird (sog. Dispersionsstrategien).

  • Komplexität und operative Risiken: Abseits der Marktrisiken sind Volatilitätsfonds an sich anspruchsvolle Produkte. Sie nutzen Derivate, die mit Kontrahentenrisiken, Liquiditätsrisiken und modellbasierten Bewertungsrisiken einhergehen. Für Privatanleger ist die Funktionsweise oft schwer nachzuvollziehen, was falsche Erwartungen wecken kann. Zudem sind Volatilitätsstrategien vergleichsweise daten- und modellintensiv – ein Fehler in der Strategie oder im Risikomanagement kann teure Folgen haben. Deshalb sollten Anleger auf erfahrene Manager vertrauen, die einen nachweisbaren Track Record in diesem Spezialgebiet haben. Insgesamt ist wichtig: Volatilitätsfonds sind kein “Selbstläufer”. Die besonderen Risiken müssen verstanden und aktiv gemanagt werden, damit die angestrebten Vorteile (Zusatzrendite oder Diversifikation) tatsächlich zum Tragen kommen. 

Für wen eignen sich Volatilitätsfonds? 

Aufgrund ihrer speziellen Eigenschaften richten sich Volatilitätsfonds in erster Linie an professionelle Anleger und Institutionen, die ihr Portfolio strategisch optimieren oder diversifizieren möchten. Beide Zielgruppen können Volatilitätsstrategien sinnvoll nutzen – allerdings auf unterschiedliche Weise: 

Strategisch orientierte Investoren (z. B. Vermögensverwalter, Pensionskassen, langfristige Privatportfolio-Anleger) betrachten Volatilität zunehmend als dauerhaften Portfoliobaustein. War Volatilität früher fast ausschließlich ein Feld für kurzfristige Wetten, gibt es heute auch unkorrelierte Volatilitätsstrategien mit langfristigem Investmenthorizont. Institutionelle Investoren integrieren Volatilitätsfonds inzwischen gezielt in ihre strategische Asset-Allokation, um die Gesamtrendite zu stabilisieren und zusätzliche Ertragsquellen zu erschließen. Für sie eignen sich besonders strukturierte Ansätze: So kann beispielsweise eine Volatilitätsprämien-Strategie als stetiger Ertragsbaustein im Portfolio dienen – ähnlich wie eine Alternative zu Anleihen oder Credit-Strategien, mit moderatem Risiko und regelmäßiger Prämie. Gleichzeitig kann eine Long-Volatility-Strategie als Diversifikationsbaustein gehalten werden, um das Portfolio gegen extreme Verluste abzusichern. Einige langfristige Konzepte (z. B. sog. “Allwetter”-Portfolios) kombinieren sogar beide Ansätze: ein Kern aus einer Income-Strategie, flankiert von einem Long-Volatility-Anteil als Schutzkomponente. Der Vorteil für strategische Anleger ist, dass gut austarierte Volatilitätsfonds oft geringe Korrelation zu klassischen Anlagen wie Aktien und Anleihen aufweisen – sie können also die Diversifikation verbessern. Allerdings müssen auch langfristige Investoren die Geduld und Disziplin mitbringen, solche Positionen über Marktzyklen hinweg zu halten. Denn der Mehrwert zeigt sich mitunter erst in Krisenzeiten oder über mehrere Jahre. Insgesamt gilt: Volatilitätsfonds eignen sich für Anleger, die entweder aktiv auf Volatilitätschancen setzen wollen oder die ihr Portfolio robuster aufstellen möchten – vorausgesetzt, sie bringen ausreichendes Verständnis für diese komplexe Anlageklasse mit. In vielen Fällen empfiehlt sich der Zugang über spezialisierte Fondsmanager, die über die nötige Infrastruktur und Erfahrung verfügen, um Volatilitätsstrategien professionell umzusetzen. . 

Fazit 

Volatilitätsfonds können tatsächlich beides leisten – zusätzliche Renditen liefern und das Portfolio widerstandsfähiger machen, sofern sie richtig eingesetzt werden. Die eingangs gestellte Frage lässt sich damit grundsätzlich bejahen: Ja, Anleger können mit Volatilitätsfonds von Marktschwankungen profitieren und gleichzeitig ihr Risiko reduzieren. Wie dieser Effekt zustande kommt, hängt von der Strategie ab: Die Volatilitätsprämien-Strategie generiert einen stetigen Ertragsstrom aus der Risikoprämie, während die Long-Volatility-Strategie in Krisen als Schutzschild fungiert und Verluste abmildert. Im Idealfall ergänzt ein Volatilitätsinvestment das übrige Portfolio, indem es entweder laufende Erträge bringt oder in Stressphasen als Puffer wirkt. Wichtig ist jedoch zu betonen, dass Volatilitätsfonds kein Freifahrtschein sind – sie erfordern Expertise, aktives Management und ein klares Verständnis der Risiken. Für geeignete Anleger stellen sie dennoch einen strategisch sinnvollen Portfoliobaustein dar, um sowohl taktisch auf Marktineffizienzen zu setzen als auch strategisch die Diversifizierung zu erhöhen. Mit Volatilitätsfonds lässt sich Volatilität vom Feind zum Verbündeten machen – und so manch stürmische Börsenphase in einen Vorteil verwandeln.

Wie geht es nun weiter?

¹Quelle: Assenagon Equity Derivatives Database.
S&P 500® | 6 m | 95 % fwd. Moneyness (01.01.2005 – 30.06.2025).
Durchschnittswerte: Implizite Volatilität 20,41 %, realisierte Volatilität 17,24 %; Volatilitätsprämie 3,17 %.